Erlebniswelt Rechtsextremismus

Seit den 1990er Jahren hat sich die extreme Rechte ständig modernisiert. Der “neue Rechtsextremismus” greift zwar noch immer auf altbekannte Inhalte und Symbolik zurück. Er zielt aber darauf ab, politische Botschaften mit Lebensgefühl und Lifestyle zu verbinden. In dieser extrem rechten “Erlebniswelt” besitzt Musik eine besondere Bedeutung. Bereits im Alter von zwölf oder dreizehn Jahren fangen Jugendliche an, sich für die Art der Musik zu interessieren, mit der sie über Bekannte und Freunde in Berührung kommen. Sie können Anschluss an eine entsprechende Clique erhalten und bekommen in der Gemeinschaft ein bestimmtes Werteverständnis und bestimmte Verhaltensmuster vermittelt.

Pressefest

Ideologie transportieren

Rechtsrock - Musik mit rassistischen, nationalistischen und antisemitischen Texten - trägt dazu bei, bestehende Vorurteile zu verfestigen und Jugendliche an die rechte Szene heranzuführen. Bereits der Frontmann der neonazistischen Kultband Skrewdriver und Gründer der internationalen Organisation Blood & Honour (Blut & Ehre), Ian Stuart Donaldson, bekannte einst in einem Interview: “Musik ist das ideale Mittel, Jugendlichen den Nationalsozialismus näher zu bringen, besser als dies in politischen Veranstaltungen gemacht werden kann, kann damit Ideologie transportiert werden.” (1) Und der Kölner Manfred Rouhs erklärte: “Gut gemachter ‘Rechtsrock’ kann helfen, Menschenmassen wenigstens oberflächlich im patriotischen Sinne zu politisieren. ... Hat der ... Jugendliche erst einmal an Bands, die patriotische Motive in ihren Texten verarbeiten, Gefallen gefunden, dann fragt er möglicherweise nach Mehr, nach dem Woher und Warum des Nationalismus. Das ist der Moment, in dem wir ... zuschlagen, ihm Inhalte und Kontakte bieten müssen.” (2)

Schulhof-CDs

Rouhs gab neben seinen “Theorieagazinen” auch ein Rechtsrock-Magazin namens Neue Doitsche Welle heraus, mit dem er versuchte, Jugendliche anzusprechen. In seinem Verlag veröffentlichte er Alben extrem rechter Gruppen und vertrieb über seinen Versand dazu passende Veröffentlichungen. Während er mit seinen Bemühungen jedoch scheiterte, weil er selbst nicht der Rechtsrock-Szene angehört und kaum authentisch wirkt, ist die NPD mit ihrer Strategie, Musik-CDs kostenlos zu verteilen, weitaus erfolgreicher. Inzwischen sind mehrere Ausgaben so genannter Schulhof-CDs erschienen. Allein die Edition, die von der NPD zum Bundestagswahlkampf 2005 unter dem Titel “Der Schrecken aller linken Spießer und Pauker” herausgegeben wurde, hatte nach Parteiangaben eine Auflage von 200.000 Exemplaren. Seit der massenhaften Verbreitung von CD-Brennern, der Durchsetzung der MP3-Technik und der wachsenden Produktion von Musik, die allein im Internet zur Verfügung gestellt wird, sind verlässliche Zahlen über im Umlauf befindliche Tonträger aus dem Bereich Rechtsrock kaum mehr anzugeben. Zwar gibt es in Köln keine gefestigte Rechtsrock-Szene mit einem eigenen Netzwerk aus Bands, Labels und Versänden, doch ist auch in Köln rechte Musik beliebt. Das zeigen nicht nur Berichte von Lehrern und Lehrerinnen an Kölner Schulen. Auch die im Internet einsehbaren Daten des neonazistischen Aufruhr-Versandes, bei dem etliche Kölner bestellten, bestätigen diese Aussage.

Breites Spektrum

War Rechtsrock früher hauptsächlich unter rechten bis neonazistischen Skinheads verbreitet, hat sich inzwischen sowohl das äußere Erscheinungsbild der Fans als auch das musikalische Spektrum gewandelt. So finden sich heute Oi (Skinhead-Musik, die aus dem Punkrock hervorging), Hard-Rock und Heavy Metal, Hardcore genauso wie Balladen oder teilweise auch elektronische Klänge im Repertoire der verschiedenen Bands. Und zu den Konsumenten gehören neben Skinheads “ganz normale Jugendliche”, ordentlich gescheitelte junge Männer und Frauen mit Zöpfen, langhaarige Metaller oder gepiercte Hardcore-Fans und junge Menschen, die sich einen “coolen” Alternativstil zulegen oder sich im Hip­Hop-Style kleiden.

Politische Message

Das verbindende Element sind die politischen Botschaften der Lieder. Im Mittelpunkt steht die völkische Gemeinschaft oder die “weiße Rasse”. Zu den Feindbildern gehören Ausländer und Migranten, Linke, Schwule und Juden. Manche Bands, wie die Nordwind aus Bayern, die Ende Juni 2002 bei dem von Rouhs organisierten Signal-Pressefest in Köln auftraten, singen von Wikingern, Germanen und harten, männlichen Kämpfern, die als Ahnen des deutschen Volkes und als Vorbilder gelten. Andere Gruppen wiederum glorifizieren ganz offen den Nationalsozialismus und den Holocaust. “Wartet ihr Brüder, jetzt kommt die Rache. Juda verrecke und Deutschland erwache”, singt die Band Weisse Wölfe aus dem Sauerland in ihrem Lied “Unsere Ehre”. “Und dann haben wir die alleinige Führung. Dann weinen viele, doch nicht vor Rührung. Für unser Fest ist nichts zu teuer, 10.000 Juden für ein Freudenfeuer. Ihr tut unserer Ehre weh, unsere Antwort: Zyklon B”. Die Weissen Wölfe bezeichnen sich selbst als Combat 18 Sauerland. Eng mit der Band verbunden ist Oidoxie aus Dortmund. Oidoxie spielt nicht nur im In- und Ausland auf Konzerten, sondern auch bei Demonstrationen, die dadurch für junge Neonazis an Attraktivität gewinnen. Um die Band herum existiert die Oidoxie-Street-Fighting Crew, der zahlreiche Kader der Neonazi-Szene angehören. Einige von ihnen haben bereits an Pro Köln-Demonstrationen teilgenommen.


(1) Dornbusch, Christian / Raabe, Jan: RechtsRock für das Vaterland, in: Andrea Röpke, Andreas Speit (Hrsg.): Braune Kameradschaften. Die militanten Neonazis im Schatten der NPD. 2. Auflage, Berlin 2005, S. 67–86, hier S. 71.
(2) Manfred Rouhs in: Europa Vorn Spezial 6/1993